Dorothy verschlägt es in einem Wirbelsturm (sie sitzt in einem Auto) nach Oz, wo sie sofort von wilden Kriegern gefoltert wird. Der Schwertkämpfer ohne Gedächtnis, den sie danach von einem Kreuz losschneidet, ist auch eher zwielichtig. So richtig ungemütlich wird es aber, als sich die Hexe des Ostens aus Versehen mit ihrer Waffe erschießt…
L. Frank Baums Geschichten um das Zauberland Oz sind schon lange Teil der amerikanischen Pop Culture. Unzählige Bearbeitungen, schon zu Stummfilmzeiten, zeugen von der ungebrochenen Popularität des Stoffes. Wobei die allegorisch recht düstere Tiefe des Originals kaum eine Adaption erreichte, außer vielleicht „Return to Oz“ (1985), in dem Dorothy in ein verwüstetes Oz zurückkehrt.
Die letzte, groß budgetierte Wirbelsturmreise machte „Oz the Great and Powerful“ (2013), der, dem Zeitgeist entsprechend, als Prequel angelegt war. Der Film, ein familientauglich heruntergekurbeltes Disney-Spektakel, versuchte leicht krampfhaft einen Hauch des Zaubers der bekannten „The Wizard of Oz“-Version mit Judy Garland von 1939 einzufangen.
Nun also die 10-teilige Serie „Emerald City“, der man viel vorwerfen kann, aber nicht dass sie versuchen würde, irgendeine der Vorgängerversionen nachzuahmen. Überhaupt hat sie mit dem klassischen Oz wenig zu tun.
Rätselhaft, dreckig realistisch und blutverschmiert kommt diese Adaption daher. Ein wildes Mashup aus dem, was das Fantasy-Genre so hergibt, inklusive einer „No, I’m your mother“-Szene. Ein deutlicher Fokus, gerade gegen Ende, liegt auf Intrigen, Zweikämpfen und Sex. Game of Thrones halt. Der „Fluch“, der das Genre wohl die nächsten Jahre prägen wird.
Dabei ist Emerald City stellenweise durchaus ambitioniert. Es werden große Themen angerissen, Fragen nach der eigenen Identität, Schuld, Verantwortung, Loyalität, mit der Genderproblematik wird auch noch ein großes Fass aufgemacht. Trotzdem. Unterm Strich mangelt es dem Skript einfach an handwerklichem Geschick. Die Charaktere und die Story sind sprunghaft und wenig mitreißend. Zu viel wirkt uneben, aus dem Hut gezaubert, unmotiviert.
Da retten auch großartige Schauspieler wie Vincent D’Onofrio als Wizard of Oz nicht viel. Der Regisseur Tarsem Singh, der Großmeister opulenter Ästhetik, drückt dem gritty Schlachtenspektakel durchaus seinen Stempel auf. Sein Auge schimmert durch und man wünschte sich, dass es nicht nur schimmern, sondern sonnenhell durchscheinen würde, dann wäre vielleicht noch was zu machen gewesen.
So wurde die Serie bereits nach der ersten Staffel abgesetzt, viele der Geheimnisse ihrer kryptischen Wendungen nimmt sie also mit ins Quotengrab.
Fazit: Radikale, aber leider auch unausgereifte Neuinterpretation des Oz-Universums
„Emerald City“, USA 2017, R. Tarsem Singh, D. Vincent D’Onofrio, Adria Arjona, Oliver Jackson-Cohen u.a. NBC, http://www.nbc.com/emerald-city