Schon mit seinem letzten Film Children of Men hat Alfonso Cuarón eine sehenswerte, dunkle Zukunftsvision geschaffen, die sich von der gängigen Science-Fiction-Kost positiv abhob. Für seinem neusten Film, bei dem er nicht nur Regie führte, sondern auch zusammen mit seinem Sohn das Drehbuch schrieb, erntete er nun geradezu euphorische Kritiken. Die Begeisterung ist nahezu einhellig und reicht bis zu frenetischen Lobeshymnen. Auf Foren wird Gravity stellenweise als Film des Jahrzehnts gehandelt und bei IMDB hält er im Moment fantastische 8.6. Punkte.
Für einen Film dieser Größenordnung zunächst einmal ungewöhnlich ist der sehr klare Fokus der Handlung, der sich rein auf die beiden Protagonisten konzentriert, ohne ständig neue Plot Points und Wendungen setzen zu müssen. Obwohl der Film praktisch nur aus Special-Effects-Shots besteht, dienen diese lediglich dazu, eine möglichst realistische Atmosphäre zu schaffen, wobei das Wort Atmosphäre nicht wirklich passt, denn George Clooney und Sandra Bullock befinden sich die ganze Zeit in der luftleeren Kälte des Weltraums.
Bei der Reparatur eines Telekops in der Erdumlaufbahn wird die Crew eines Space-Shuttles von einem auf sie zurasenden Schwarm Weltraumschrott überrascht, der ihr Raumschiff kurz und klein schlägt. Nur Clooney und Bullock überleben, weil sie sich in ihren Raumanzügen außerhalb des Shuttles befinden. Ihre einzige Chance, bevor ihnen der Sauerstoff ausgeht, ist eine russische Raumstation in der Nähe.
Die totale Einsamkeit der Astronauten in der Stille des Weltalls nach einem Unglück wurde in nicht wenigen Filmen thematisiert, man denke nur an „2001“, „Silent Running“ und insbesondere „Dark Star“. Was Gravity von diesen Filmen unterscheidet, ist der Realismus. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass in dem Film keine Aliens, Supercomputer oder sonstiger Schnickschnack vorkommen. Der Film bezieht gerade daraus seine Spannung. Die Protagonisten sind auf sich alleine gestellt, es gibt niemand, der ihnen helfen kann, aber auch kein Ziel, das sie erfüllen könnten, das über sie selbst hinauswiese. Kein Monster, das sie töten oder einen Knopf, den sie drücken müssen, um die Menschheit zu retten.
Das sorgt für eine authentische Grundstimmung und steht im krassen Gegensatz zum üblichen Action-Einerlei. Beste Voraussetzungen also für einen mitreißenden Film. Allerdings kommen wir nun zu dem meiner Meinung nach größten Problem von Gravity. Zu der realistischen Ausgangssituation gesellen sich zwei Hauptfiguren, die Abziehbilder aus dem Standard-Arsenal von Hollywood sind. Der Typ „Cowboy“, dem auch im Angesicht des Todes noch ein lockerer Spruch über die Lippen kommt und die junge Frau, die zuerst ängstlich ist, dann aber, auf sich allein gestellt, über sich hinauswächst („Alien“ lässt grüßen). Die Dialoge zwischen den beiden gehen nicht über das hinaus, was man im Blockbuster-Kino gewohnt ist und das reicht einfach nicht, um die Art von emotionaler Ergriffenheit zu erzeugen, die ein solcher Film erzeugen muss, um zu wirken.
Vielen scheint dieses offensichtliche Defizit nichts ausgemacht zu haben, vielleicht weil zweidimensionale Charaktere zur Identifikation ausreichen, wenn sie sich nur in einer permanenten Gefahrensituation befinden.
Oder aber weil der Film als Metapher den Nerv der Zeit trifft: Zwei Astronauten schweben allein und verlassen in einer dunklen, feindlichen, aber auch faszinierenden und wunderschönen Umgebung. Jeder für sich allein, isoliert, nur durch ein dünnes Band verbunden. Sonst nichts, kein Sinn, kein Gott, man muss alleine schauen, wie man klarkommt. Man cocooned sich ein, wenn man was gefunden hat, aber die Kälte von draußen dringt unerbittlich ein. Trotzdem, man darf nicht aufgeben. Man hat keine Ahnung, was man macht, aber man macht halt mal, weil man irgendwie überleben muss.
Fazit: Geht so…
PS: Haben die auf den Raumstationen tatsächlich gedruckte Anleitungen, wie man das Ding bedient?
GRAVITY, USA 2013, Regie: Alfonso Cuarón, D. George Clooney, Sandra Bullock, Ed Harris u.a. 90 Min.