Berberian Sound Studio

Genre-Kenner wissen, welche Art Horror-Filme im Italien der 70er so gedreht wurden. In den Videotheken waren diese Streifen, wenn überhaupt, nur in um 20 Minuten gekürzten Versionen vorhanden, aber wenn man Glück hatte, kannte man jemanden, der eine Sammlung griesliger Raubkopien (100% ungeschnitten aus Österreich) sein Eigen nannte, die dann in langen Keller-Videoabenden weggeschaut wurden.

In Peter Stricklands zweitem Spielfilm steht ein solcher Film zwar im Mittelpunkt, allerdings ohne dass man außer dem Vorspann etwas von ihm sehen würde, vielmehr verlässt er sich auf das Vorwissen des Publikums und konzentriert sich ganz auf das, was vor der Leinwand passiert.

In einem italienischen Tonstudio irgendwann in den 70ern wird ein Horrorfilm der härteren Gangart nachvertont. Melonen werden zertrümmert, Gemüse zerbruzzelt und Radieschen entstiehlt. Der sensible Geräuschespezialist Gilderoy, der keine Ahnung hat, auf welche Art Film er sich da eingelassen hat, reist aus England an, um sein Fachwissen einzubringen. Das aggressive Arbeitsklima und das, was er Tag für Tag auf der Leinwand sieht, beginnen allerdings schnell ihm zuzusetzen.

Der Fokus des Films liegt auf der Atmosphäre im Studio, das den ganzen Film über nicht verlassen wird. Die 70er erstehen in jedem Detail wieder auf. Selten habe ich auch einen Film gesehen, der es geschafft hat, seine Figuren so perfekt zu charakterisieren. Jede Szene, jeder Fetzen Dialog, jede Kleinigkeit passt, wie eine Kamera, die immer näher ranzoomt, kommt man immer näher ran an Gilderoys Erleben der Situation. Sehr interessant auch, wie sich die Macht- und Folterphantasien des Horror-Films subtil in den Vorgängen im Studio widerspiegeln.

Berberian Sound Studio ist beeindruckend und absolut sehenswert. Was fehlt, ist allerdings eine Handlung, die voranschreiten würde. Gezeigt wird eine langsame Entwicklung, die sich immer weiter zuzieht. Auf den Knall wartet man vergebens.

Berberian Sound Studio. GB 2012. Regie: Peter Strickland. Mit Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Cosimo Fusco. 92 Minuten

Von |2018-12-01T17:49:43+01:0020. Juni 2013|Film|