Black Mirror ist eine dreiteilige Science-Fiction-Serie des britischen Senders Channel 4, die am 4. Dezember 2011 ausgestrahlt wurde und auch bei uns bereits in Insiderkreisen als Geheimtipp gehandelt wird.
Jede der drei 30-minütigen Folgen besteht aus einer in sich abgeschlossenen Geschichte, in der ein Aspekt der zukünftigen technischen/medialen Entwicklung im Mittelpunkt steht. In der ersten wird statt Lösegeld bei einer Entführung vom Premier-Minister verlangt, live vor der Kamera Sex mit einem Schwein zu haben, in der zweiten geht es um Teilnehmer einer Casting-Show in einer durchmedialisierten „1984“-Welt, in der dritten um die sozialen Auswirkungen implantierter Memory-Chips.
Produzent der Serie und Autor bzw. Co-Autor der Folgen 1 und 2 ist Charlie Brooker, der in Großbritannien als sarkastischer und scharfzüngiger Moderator bekannt ist, so erklärte er seinem Publikum in der ersten Folge seiner Review-Show Screenwipe, dass er er hoffe, eine neue Art von Moderator zu sein („the incompetent, obnoxious, misanthrope or the bloated smart-arse depending on how you look at it“).
Brooker ist mit allen möglichen Formaten im Fernsehen und Radio präsent und schreibt auch Kolumnen für den Guardian. Sein Markenzeichen sind satirische, oft medienkritische Kommentare, in denen er die Auswüchse der britischen Mediengesellschaft angreift. Dabei macht Brooker keinen Hehl aus seiner Faszination für Gadgets, wie iPhones, Twitter oder neue Video-Spiele, er ist also kein englischer Ansgar Heveling, sondern ein kritischer Insider.
Die ebenfalls von ihm geschriebene Miniserie Dead Set von 2008 beschreibt den Ausbruch einer Zombie-Epidemie aus der Sicht der Bewohner des Big-Brother-Containers. Die Serie wurde auf demselbem Sender wie Big Brother gezeigt, die Original-Moderatorin Davina McCall spielte mit, ebenso gab es Cameo-Auftritte vieler ehemaliger Big-Brother-Teilnehmer. Die Serie ist einerseits Horror im Stil der Zombie-Trilogie von Romero und 28 Days Later (mit schnellen Zombies), andererseits eine beißende Mediensatire, in der die Verachtung für das Format Big Brother mit Gedärme-raus-Gewaltorgien zelebriert wird.
Die Titelfigur seiner 6-teiligen Sitcom Nathan Barley von 2005, die er zusammen mit Chris Morris schrieb und die die Abenteuer eines unerträglichen, pseudocoolen, urban-dynamischen Hipsters zeigt, wurde inzwischen in der britischen Presse zum Synonym für charakterliche Luftpumpen im Bereich Kunst, Kultur und Medien.
Die britische Presselandschaft ist um einiges härter drauf als die deutsche. Das bedeutet einerseits, dass sich Satiren oft sehr viel mehr rausnehmen als das hier möglich wäre, andererseits geht aber auch die Berichterstattung selbst (insbesondere der Regenbogenpresse) erheblich mehr ans Eingemachte. Das zeigte etwa der Skandal um die News-of-the World-Mitarbeiter, in dem bekannt wurde, dass die Anrufbeantworter/Mobilboxen von Prominenten, aber auch von Mordopfern durch Reporter gehackt wurden.
Deshalb bekommt natürlich das „Spin-doctoring“, d. h. wie die Darstellung eines Sachverhalts in der Öffentlichkeit beeinflusst werden kann, für Prominente und Politiker einen ganz eigenen Stellenwert. Gerade weil der Medienkrieg oft mit harten Bandagen geführt wird – was wiederum Stoff für Satire gibt. Vor diesem Hintergrund ist dann auch die erste Episode von Black Mirror zu sehen, in der es vor allem darum geht, wie die Presse auf die absurde Forderung des Entführers nach Schweinesex reagiert und wie der Premier nach und nach in die Enge getrieben wird.
In Großbritannien gibt es eine lange Tradition von Satire-Serien, die sich genau darum drehen. Sehr empfehlenswert ist The Thick of It und der Ablegerfilm In the Loop von Armando Iannucci, die die medialen Katastrophen und Intrigen in einem fiktiven Ministerium zeigen. Ein amerikanischer Ableger ist geplant. Etwas gediegener, aber auch unterhaltsam, ist die Sitcom (zuerst Radio, dann TV) Absolute Power mit Stephen Fry (2000-2006) über eine Marketing-Agentur ohne jegliche Skrupel.
In Black Mirror geht es aber auch um die Auswirkungen der Medienwelt auf unser Leben und wie deren Interpretationen immer mehr die Eckpfeiler unserer eigenen Welt werden. Der Konsum selbst ist schon jetzt nicht mehr neutral, dazu sind die Medien zu allgegenwärtig. Sie bestimmen, was wichtig ist und was nicht. Überspitzt auch zu sehen in der skurril schwarzhumorigen Zeichentrickserie Monkey Dust (2003-05), in der u. a. die mediale Darstellung von Gewaltverbrechen und Krieg aufs Korn genommen werden.
Black Mirror wird voraussichtlich wohl kaum irgendwann im deutschen Fernsehen laufen. Genauso wenig wie der Rest der genannten Serien. Interessierte haben also Gelegenheit ihr Englisch aufzubessern. Die DVD-Veröffentlichung (UK) ist für Ende Februar angekündigt.
„Black Mirror“, GB, 2011, R. Otto Bathurst, Euros Lyn, Brian Welsh D. Rupert Everett, Toby Kebbell, Jessica Brown Findlay u.a. Channel 4 DVD