Manchmal muss die Vergangenheit verändert werden, um Schlimmeres abzuwenden. In der Regel mehrmals. In „Deju Vu“ (2006) mit Denzel Washington wird etwa ein terroristischer Anschlag rückgängig gemacht, in „Retroactive“ (1997) versucht eine Frau einen Mord aus Eifersucht zu verhindern, indem sie immer wieder zum gleichen Zeitpunkt zurückreist, in dem kürzlich erschienenen „Source Code“ (siehe Kritik) setzt Jake Gyllenhaal alles daran, immer wieder aufs Neue einen Bomber in einem Zug zu finden und in dem Klassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (1993) muss Bill Murray den gleichen Tag wieder und wieder erleben, bis er sich vom Zyniker zum Menschenfreund gemausert hat.
Von der Struktur her funktionieren alle diese Filme ähnlich: Zu Beginn wird die Ausgangsversion präsentiert, die völlig unbeeinflusst abläuft. Dann wird die Möglichkeit der Zeitreise entdeckt und es folgt der Versuch, die Originalversion mittels Reise in die Vergangenheit zum Besseren zu verändern. Der Versuch misslingt, aber man kann es ja noch einmal versuchen und so nähert man sich quasi durch Trial and Error der angestrebten Zielversion.
Entscheidend hierbei ist, dass obwohl die Handlung in sich wiederholenden Zeitschleifen abläuft, die Geschichte als Ganzes eine durchgängige, sich nicht wiederholende, Zeitlinie hat, mit einem klar definierten Anfang und einem klar definierten Ende. Für die Zeitreisenden und mit ihnen den Zuschauer gibt es eine Meta-Zeitebene, auf der die Wiederholungen kausal miteinander verknüpft werden. Wenn etwa Bill Murray am zweiten Tag aufwacht und feststellt, dass es wieder Murmeltiertag ist, dann sind seine Aktionen eine direkte Folge dessen, was er am ersten Tag erlebt hat. Aber eben nur für ihn und den Zuschauer, für alle anderen ist es ja immer der gleiche Tag. Wenn Bill Murray dann am dritten Tag aufwacht, dann ist der dritte Tag für ihn eine Folge des ersten und des zweiten Tages und seine Entscheidungen an diesem Tag beruhen darauf, was er an den beiden vorherigen Tagen erlebt hat – und so geht es weiter.
Die Veränderungen gehen also immer von dem Zeitreisenden selbst aus und seine Entscheidungen sind damit immer eindeutig als Ursprung identifizierbar – auch wenn diese Entscheidungen oft zu Konsequenzen führen, die nicht vorhersehbar waren.
In „Los cronocrímenes“, dem Debüt des spanischen Regisseurs Nacho Vigalondo von 2007, ist das alles etwas anders. Statt klar definierter Ausgangsversion und angestrebtem Ziel gibt es ein unauflösliches Knäuel – das wird dem Zuschauer aber erst nach und nach bewusst. Die Handlungen des Zeitreisenden sind Original und Kopie zugleich, seine Entscheidungen sind frei und sind es nicht, denn er hat Angst davor, die Abläufe zu verändern, also spielt er nach, was er denkt, was passieren muss. Am Ende des Films bleibt die Frage, wo denn der Ursprung der absurden Geschehnisse im Film liegt. Und obwohl alles in sich logisch erklärt wird, bleibt das beunruhigende Wissen, dass es ein „Außerhalb“ gibt, das weder vom Protagonisten noch vom Zuschauer erfasst werden kann.
Vigalondo hat es geschafft mit kleinem Budget einen nichts weniger als genialen Zeitreise-Thriller zu schaffen, der zwar viele Elemente der bekannten Zeitreise-Filme übernimmt und auch an Geschichten wie R. A. Heinleins „All you zombies“ erinnert, dabei dann aber doch etwas völlig Neues hinzufügt.
Hollywood hat schon Interesse angemeldet, dem Film ein Remake zu verpassen, bekanntermaßen der Ritterschlag für jeden Film, der außerhalb der USA entstanden ist. Amerikanische Rezensionen des Films waren allerdings nicht sonderlich positiv. So schrieb J. Catsoulis in der New York Times: „Tackling time travel with zero special effects, one location and only four speaking roles requires nerve — and in this case an exorbitant faith in full-frontal nudity […]“
Die nackten Brüste sieht man allerdings nur wenige Sekunden, den Film also bitte nicht deshalb schauen.
Timecrimes, Spanien, 2007, R. Nacho Vigalondo, D. Mit Karra Elejalde, Candela Fernandez, Bárbara Goenaga u.a. Die Blu- ray/ DVD erscheint bei Koch Media.