Interview mit Jörg Buttgereit

In den 80ern und 90ern erlangte Jörg Buttgereit Kultstatus mit Filmen wie ‚Nekromantik‘ und ‚Schramm‘ – heutzutage macht er Hörspiele, die in der deutschen Radiolandschaft ihresgleichen suchen. Die Fertigstellung seines neuesten Hörspiels ‚Green Frankenstein‘ haben wir zum Anlass genommen, um uns mit ihm über Monster, Sexploitation und Bruce Lee zu unterhalten…

Hallo, Herr Buttgereit, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben. Ihr neuestes Hörspiel heißt ‚Green Frankenstein – Ein pädagogisches Monsterhörspiel‘. Bei dem Titel ist mir sofort aufgefallen, dass ‚pädagogisch‘ eine recht ungewöhnliche Beschreibung für ein Monsterhörspiel ist.

Ja, das stimmt. Ich habe ja neulich die Dokumentation ‚Monsterland‘ für Arte gemacht und auch dieses Buch über japanische Monsterfilme und die Godzilla-Filme geschrieben: ‚Japan – Die Monsterinsel‘. Schon damit habe ich versucht das Monstergenre aus der Trivialkultur auf ein seriöseres Level zu heben, um mich näher damit auseinandersetzen.

In ‚Green Frankenstein‘, wie das neue Hörspiel jetzt heißt, geht es auch um Umwelt- probleme und das ist etwas, das ich noch aus den Monsterfilmen der 70er Jahre kenne, die ich damals gesehen habe. D. h. ich habe als Kind so etwas wie ein Umweltbewusstsein durch das Ansehen japanischer Monsterfilme bekommen. Das Hörspiel ist eine Hommage an diese Filme. Monster können uns eine Menge beibringen, weil wir uns ja diese Monster selbst ausdenken- und deswegen pädagogisch. Monsterfilme werden oft als Trash oder Müll abgestempelt; für mich haben sie aber eine große Bedeutung.

Sie setzen sich mit den Monsterfilmen auf eine sehr künstlerische Art auseinander, andererseits waren diese Filme zu ihrer Enstehungszeit äußerst kommerziell.

Ja, klar, eigentlich waren das so richtige japanische Familienfilme, die amerikanischen aber auch. Die wären ja auch nicht erfolgreich gewesen, wenn es die Leute damals nicht angesprochen hätte. Die Monster in diesen Filmen sind so etwas wie politische Barometer. Es gibt viele zeittypische Motive, die in diesen Filmen immer wieder auftauchen, sei es nun die Angst vor der Atombombe, die speziell bei Godzilla und den amerikanischen 50er-Jahre-Filmen eine große Rolle spielte oder später der kalte Krieg, die Angst vor dem Kommunismus oder vor dem Fremden, die sich dann so geäußerst hat, dass die Monster plötzlich aus dem Weltraum kamen. Monster sind immer Metaphern für Probleme, mit denen sich die Leute gerade beschäftigen und werden so zu Sinnbildern für diese Probleme.

Auch in neueren Monsterfilmen wie ‚Monsters‘, ‚District 9‘ oder ‚Cloverfield‘ merkt man, dass politische Themen angerissen werden oder dass mit der Ästhetik von Nachrichtenbildern gespielt wird, und das kollektive 9/11-Trauma auf optische Art und Weise thematisiert wird. Die Monster haben immer noch nicht ausgedient. Das habe ich auch gelernt, als ich für den Film ‚Monsterland‘ unterwegs war. Dafür bin ich quer um die Welt gereist und habe Monstermacher befragt und die haben auch alle versucht mir meine Fragen ernst zu beantworten, wie ich das jetzt versuche (lacht). Gute Monsterfilme nehmen sich selbst ernst, auch wenn sie manchmal lächerlich wirken.

Sie persönlich sind aber vor allem von Godzilla begeistert, seh ich das richtig?

Ich bin mit diesen Godzilla-Filmen aufgewachsen. Als ich klein war liefen die in der Jugendvorstellung hier in Berlin, aber ich habe auch die Hammer-Horrorfilme und die ganzen amerikanischen Horrorfilme gesehen. Die Godzilla-Filme habe ich mir besonders auf die Fahne geschrieben, weil es dazu in Deutschland, bevor mein erstes Buch ‚Monster aus Japan greifen an‘ veröffentlich wurde, überhaupt keine Literatur gab. Zu Vampirfilmen oder zu klassischen Horrorfilmen aus Amerika gab es Literatur. Bei den japanischen Monsterfilmen gab es jedoch kein Sekundärmaterial, womit man sich hätte auseinandersetzen können. Es gab ein paar amerikanische Bücher, die mich inspiriert haben, das waren aber vor allem Sachen, die in akademischen Verlagen erschienen sind.

Zum ersten Mal mit einer Kamera nach Japan gefahren bin ich 2002, als ich einen Film für den WDR gemacht habe, der ‚Die Monsterinsel‘ hieß. Es ging um Japan und seine Monsterkultur. Ich habe dann dort Leute wie den Godzilla-Darsteller Haruo Nakajima und auch innovative Regisseure von heute interviewt. Viele der Alten sind ja nicht mehr aktiv oder leben nicht mehr. Es war mir aber ein Anliegen, dass man die im Westen endlich mal wertschätzt.

Frankenstein als deutscher Name für japanische Monster- von einem Godzilla-Fan würde man eher erwarten, dass Sie die Verwendung von Namen wie Frankenstein furchtbar finden, weil sie das japanische Original verfälschen. Sie verwenden das in ihren Hörspielen aber ganz bewusst…

Es gibt ja tatsächlich zwei Filme, die auch im japanischen Original diesen Frankenstein im Titel haben- und darauf beziehe ich mich in meinen Hörspielen ‚Frankenstein in Hiroshima‘ und ‚Green Frankenstein‘. Ich achtete immer darauf, dass ich Leute dabei hatte, die damals diese Filme synchronisiert haben, wie zum Beispiel Rainer Brandt, der die Hauptrolle in ‚Guila- Frankensteins Teufelsei‘ gesprochen hat. Er ist auch bekannt als Sprecher von Tony Curtis und Synchronregisseur der Serie ‚Die Zwei‘. Solche Leute nach all den Jahren wieder dazu zu kriegen in diese Rolle zu schlüpfen, ist mir ein Anliegen.

Ich hab ihn gefragt, „Mensch, erinnern Sie sich noch?“, ich habe ja vor Kurzem einen Audiokommentar für die DVD von ‚Guila- Frankensteins Teufelsei‘ eingesprochen und ein Bekannter von mir bringt jetzt ‚Astro Zombies‘ raus, das ist so ein Ted V. Mikels-Film, ein 60er-Jahre Horrorfilm aus Amerika und da spricht überall Rainer Brandt die Hauptrollen. Ich hab ihn danach gefragt und der weiß das nicht mehr. Es liegt also an so Leuten wie mir, da die Fahne hochzuhalten. Die Synchronleute von damals waren oft hochkarätige Schauspieler, die zum Teil besser waren, als die Schauspieler, die sie synchronisiert haben. Diese Synchronkultur, die wir haben, ist ja ein Ausnahmefall. Hier wurden und werden Synchronfassungen äußerst sorgfältig gemacht. Es nimmt zwar immer mehr ab, weil auch der DVD-Markt so einbricht, aber es gibt in Deutschland eine Menge guter Synchronfassungen, weil das bei uns Schauspieler machen. Die sterben jetzt zwar alle weg und es gibt immer billigere Synchronbuden, die das dann auch einfach zusammenhauen, aber es gibt auch noch die guten, alten Recken, mit denen ich arbeite.

Zum Beispiel spielt auch Jürgen Thormann mit, der auch eine ganz prägnante Stimme hat. Er spricht das Monster in ‚Green Frankenstein‘. Thormann kennt man auch als Sprecher von Michael Caine und er hat das auch total ernst genommen. Das ist wirklich das Schöne, selbst wenn man so triviale Stoffe hat. Wenn man solche Leute mit ihrem Berufsethos dafür engagiert, dann nehmen die das auch total ernst und machen das sehr gewissenhaft.

Das heißt Sie wollten mit diesem Hörspiel ganz bewusst eine Siebziger-Jahre-Stimmung wieder auferstehen lassen?

Genau, das ist ja jetzt nichts Neues, das habe ich ja schon vorher gemacht, dass ich versuche die Stimmung dieser Zeit einzufangen. Das Hörspiel spielt 1966, und davor habe ich das Stück ‚Sexmonster‘ aufgenommen, das im Amerika der Siebziger spielt, in der 42nd Street in New York, und das sich an den Sexploitation-Filmen aus den Siebzigern orientiert. Ich widme mich ganz bewusst diesen trivialen Genres, die immer etwas naserümpfend vom Feuilleton begutachtet werden. Die Hörspiele werden aber natürlich für den WDR gemacht, also für das öffentlich rechtliche Radio, das von unseren GEZ-Gebühren bezahlt wird. Ich nehme den Bildungsauftrag der öffentlich Rechtlichen also sehr ernst. Deshalb der Untertitel ‚Ein pädagogisches Monsterhörspiel‘.

Ich habe gelesen, dass ihr letztes Hörspiel ‚Sexmonster‘ vom WDR nach der Ausstrahlung nicht als Download angeboten wurde, weil es als nicht jugendfrei eingestuft wurde.

Ja, das war sehr ärgerlich. Das Stück wurde zwei Mal im WDR gesendet und das war auch kein Problem, weil es erst nach 23 Uhr lief, aber an dem Tag als der Download endlich online gehen sollte, hat sich dann der Hörspielchef dagegen entschieden. Es gab Bedenken, dass sich das auch Jüngere tagsüber runterladen können. Bei Downloads hat man ja nicht diese 23 Uhr-Grenze. Deshalb wurde der Gratisdownload kurzerhand gecancelt, was ich natürlich total ärgerlich fand.

Ansonsten gibt’s aber eigentlich nie Probleme. ‚Green Frankenstein‘ läuft Ende März 2011 und wird eine Woche als Download bei WDR 1Live bereitstehen.

Im Bereich Radio-Hörspiel gibt es ja diese eindeutige Trennung zwischen unterhaltenden Hörspielen wie Krimis und literarischen, künstlerischen Hörspielen. Stört es Sie, dass Sie da so ein bisschen zwischen den Stühlen sitzen mit ihren Hörspielen?

Ja, nicht nur mit meinen Hörspielen, wenn ich Theaterstücke mache, sind die Theaterleute auch immer schockiert. Ich versuche ja Filmstoffe auf die Bühne zu kriegen, was die Theaterleute meist irritiert, weil sie einen ganz anderen Background haben. Da sitze ich also auch zwischen den Stühlen. Und bei meinen „Horrorfilmen“, die ich früher gemacht habe, da war es so, dass die Kunstfilmfans immer gesagt haben, die Filme sind zu blutig und die Horrofilmfans haben gesagt, die Filme sind zu künstlerisch. Das mit dem Zwischen-den-Stühlen-Sitzen ist immer so bei mir, aber das liegt eben auch daran, dass ich diese Unterscheidung zwischen Trash und Kunst bewusst nicht mache. Für mich hat alles seine Berechtigung.

D. h. Sie wollen mit Ihren Hörspielen und mit Ihren Filmen auch nicht provozieren, sondern es regt Sie eher auf, dass sich die Leute darüber aufregen?

Genau. Ich beschäftige mich ja retrospektiv mit den Sachen, daher wundert es mich eher, dass sich heutzutage noch jemand über einen Titel wie ‚Sexmonster‘ ereifern kann, weil es ja eindeutig um die Siebziger-Jahre in dem Stück geht und diese Zeit schließlich längst vorbei ist. In Deutschland hat man immer Probleme mit Gewalt und Sex. Das sind aber nun mal Themen, die in jeder Kunstform ausgiebig zelebriert werden, aber sobald man da ein bisschen direkter drauflosgeht, gibt es immer wieder Probleme- gerade in Deutschland.

Meine Filme sind ja auch in anderen Ländern verfügbar und da hat man dann wieder andere Probleme. In Amerika gibt es mit Gewalt nie Probleme, wohl aber mit Sex. Und in Japan ist das Zeigen von Schambehaarung das Schlimmste, aber wenn jemand der Kopf abgeschnitten wird, dann ist das überhaupt kein Problem. Das sind völlig andere Sichtweisen, mit denen ich da konfrontiert bin. Andererseits relativiert das natürlich auch die eigene Sicht, wenn man mitbekommt, wie kulturspezifisch Tabugrenzen sind.

Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen für den WDR Hörspiele zu machen? Sie haben ja vorher diese Horrorfilme gedreht und da würde man ja nicht davon ausgehen, dass der WDR auf Sie zukommt und fragt, ob Sie Hörspiele machen wollen…

Es war aber tatsächlich so (lacht). Es war eine Redakteurin, die mich angerufen und gefragt hat, ob ich nicht ein Hörspiel für sie machen, nein, schreiben kann, weil die neue Autoren gesucht haben, die außergewöhnliche Sachen machen. Sie hatte sich meinen ersten Film ‚Nekromanik‘ angesehen, hatte ihn aber nicht zu Ende gekuckt. Sie fand aber, dass das eine interessante Sache war, wie ich da vorgegangen bin. Für meine Filme, die ja teilweise indiziert bzw. bundesweit beschlagnahmt wurden, haben wir uns ja vor Gericht eingesetzt. Als meine Filme dann irgendwann per Gericht zur Kunst erklärt wurden, fiel natürlich dieses Schmuddel-Image von mir ab. Deswegen war es vielleicht einfacher in so eine öffentlich-rechtliche Kiste zu rutschen, obwohl man ja sieht, dass es immer noch Probleme gibt.

Als ich 2002 das Hörspiel ‚Ed Gein Superstar‘ gemacht habe, über diesem berühmten Leichenschänder aus Wisconsin, da gab es auch Probleme. Der Jugendschutzbeauftragte des WDR hat bestimmte Szenen rausgeschnitten. Die haben eben auch ihre Bestimmungen, aber in der Regel kann man doch relativ unbehelligt arbeiten.

Ist Ihnen der Wechsel schwergefallen, ihre Filme erzielten Ihre Wirkung ja vor allem visuell?

Ja, es ist mir anfangs schwergefallen Dialoge zu schreiben, denn bei den Filmen hab ich ja nicht mit Schauspielern, sondern mit Bekannten von mir gearbeitet. Der WDR hat mir ja plötzlich die Möglichkeit gegeben, mit richtig guten Schauspielern zu arbeiten. Für die musste ich natürlich Dialoge schreiben. d. h. ich hab beim Hörspielschreiben auch gelernt Dialoge zu schreiben.

Mir ist aufgefallen, dass ‚Sexy Sushi‘ eigentlich das einzige Hörspiel von Ihnen ist, dass mich auch an Ihre Filme erinnert hat.

Das ist ja auch ein Stoff, der eigentlich ein Film werden sollte. Ich habe 1993 den letzten langen Spielfilm gemacht, ohne Budget, sag ich mal. Danach hab ich mir gesagt, so kann es nicht weitergehen, weil die Filme einfach nicht finanziert werden können. Irgendwann kann man einfach nicht mehr ohne Geld arbeiten, denn sonst hat man irgendwann keine Freunde mehr. Dass meine Filme sich bis heute immer noch verkaufen, also auch kommerziell erfolgreich sind, das war damals noch nicht so abzusehen. Und das Geld, dass nicht da war und das Generve, das daraus resultierte, das war irgendwann einfach nicht mehr tragbar für alle, die bei den Produktionen mitgemacht haben.

Diese professionelle Arbeit bei den Hörspielen hat mich dann natürlich auch gefreut. Dass man plötzlich Leute hatte, die richtig gut sind und man auch mal an seine Helden rankommt, wenn man vom WDR oder von Arte losgeschickt wird, um in Japan zu drehen oder in den USA. Dazu kam, dass meine Filme früher ja auch eine Art Protest gegen die Zensurpolitik hier in Deutschland waren. Und das hatte sich dann auch dadurch, dass meine Filme zur Kunst erklärt worden sind, irgendwie erledigt. Die Notwendigkeit diese Filme weiterzumachen war weg und ich konnte mich anderen Sachen widmen.

Ich hab ja auch noch professionell gearbeitet, beim ‚Kondom des Grauens‘ die Effekte gemacht und in Kanada an ‚Lexx- The Dark Zone‘ gedreht. D. h .professionell gearbeitet und Geld verdient, aber da ich ja so verwöhnt war durch meine bisherige künstlerische Freiheit, hat mir da der Freiraum gefehlt. Und wenn ich jetzt über Filme schreibe und Hörspiele mache, dann hab ich die Freiheit, die ich brauche um kreativ zu sein.

Wenn Sie jetzt nochmal die Möglichkeit hätten einen Spielfilm zu machen, was für einen Film würden Sie dann drehen?

Ich könnte mir vorstellen die Sachen, die ich jetzt als Hörspiel mache auch als Film umzusetzen. Also, ‚Captain Berlin‘ schreit eigentlich danach, dass man das mal professionell umsetzt. Aus dem Hörspiel ‚Captain Berlin versus Dracula‘ ist irgendwann ein Theaterstück mit dem Titel ‚Captain Berlin versus Hitler‘ geworden, das dann auch für eine DVD abgefilmt wurde. Dort habe ich festgestellt, dass aus den Beschränkungen, die einem die Theaterbühne nun mal auferlegt, weil eben der Hauptdarsteller nicht einfach so losfliegen kann oder keine Superkräfte hat, auch wieder ein Reiz entsteht. D. h. diese Theatergeschichten reizen mich zurzeit mehr, weil es eine andere Arbeit ist. Beim Film arbeitet man sich so häppchenweise vor und hat ständig das Geld im Nacken und beim Theater ist das überschaubarer. Man muss es zwar jeden Abend neu machen, aber man hat auch das direkte Feedback vom Publikum, was man bei Filmen oder bei Fernsehen ja nicht hat. Für mich ist es immer spannend, Dinge zu machen, die ich noch nicht kann oder kenne. Ich habe lange diese Independent-Filme gemacht, Hörspiele hab ich jetzt lange gemacht, und im Moment bin ich bei dieser Theatersache aktiv und es macht Spaß.

Ich dreh jetzt auch, ich weiß nicht, ob Sie das gesehen haben, so eine Fake-Doku ‚Making Of Süsse Stuten 7‘. Da spiel ich einen Pornofilm-Regisseur, der aber viel lieber Horrorfilme drehen würde. Das ist eine Webserie, die man sich bei 3min.de ankucken kann. Die zweite Staffel wird jetzt im Dezember gedreht und ich spiele auch wieder mit. Es ist natürlich schön in eine Filmproduktion zu gelangen, wo ich nichts weiter machen muss, als eine Rolle zu spielen und ansonsten überhaupt keine Verantwortung habe. Das ist fast wie Urlaub. Mich hat das damals gereizt, als ich dieses Angebot bekommen habe, weil das wie auf mich zugeschnitten war, weil ich jemanden spiele, der Porno-Filme macht, also in einem Film-Genre arbeitet, das noch einen schlechteren Ruf hat als Horrorfilme, und der jetzt aber ganz erpicht darauf ist, Horror-Filme zu drehen- das fand ich eine lustige Idee, mich zu besetzen. Obwohl ich den Regisseur Daniel Hyan von Anfang an gewarnt habe, dass ich ein ziemlich schlechter Schauspieler bin, aber das hat ihn nicht abgehalten. Es gibt auch eine DVD davon, ‚Making of Süsse Stuten 7‘ heißt die. Und die zweite Staffel kommt dann irgendwann im nächten Jahr im Pay TV.

Sie haben ja auch zwei Hörspiele gemacht, die sich mit Sexploitation-Filmen beschäftigen, ‚Sexmonster‘ und ‚Sexplosion in Shinjunku‘. Würden Sie auch bei solchen Filmen sagen, dass sie wie Sie es vorher über die Monsterfilme gesagt haben, gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln oder einen künstlerischen Anspruch haben?

Bei Sexfilmen oder sogar bei Pornos ist es glaub ich so, dass die notwendig sind für die Filmwirtschaft, weil jede technische Innovation, sei es nun die Videokassette oder die DVD,sich immer erst durchsetzt, wenn die Porno-Industrie mitmacht. Und diese Kaltschnäuzigkeit, mit der die Industrie auch so autonom arbeitet, also jenseits von Filmföderungsgremien und so, das ist etwas, bei dem man sich als Independent-Filmemacher eine Menge abkucken kann- und insofern haben die schon ihre Berechtigung.

Die Sexploitation-Hörspiele, die ich gemacht habe, betrachten das Genre retrospektiv. Die Filme von Doris Wishman haben es mir da angetan, die hat super Sachen gemacht. Und ‚Sexmonster‘ ist ja auch eine Verbeugung vor einem Doris Wishman-Film, mit dem Titel ‚The Amazing Transplant‘, wo es eben auch um eine Schwanztransplantation geht.

Wobei Sie bei Sexmonster ja auch Elemente aus Monsterfilmen verwendet haben.

Ja, King Kong und sonst was ist mit drin. Das Schöne an Hörspielen ist ja, dass man einfach Sachen reinschreiben kann und die nur auf einem akustischen Level realisieren muss. Dass man nicht aufs Budget kucken muss, ist absolut herrlich. Da kann man mal eben auf dem World Trade Center drehen oder auf dem Empire State Building oder sonstwo- kostet ja nix, denn man sieht es ja nicht. Solchen Größenwahn kann man sich beim Film nicht leisten und das ist der große Reiz bei Hörspielen.

Welches Verhältnis haben Sie zu kommerziellen Hörspielen? Viele Höspielfans sind ja Leute, die in den 80ern TKKG und Drei Fragezeichen gehört haben. Und heute gibt es diese Dark Fantasy-Hörspiele, die auf CD rauskommen. Ist das irgendetwas wozu Sie einen Bezug haben?

Als Kind habe ich eine Dracula-Schallplatte von Europa gehabt, die ich total geliebt habe und die ‚Irrfahrten des Odysseus‘ und so ein paar ‚Perry Rhodan‘-Dinger, also auch schon immer nur die Sachen, wo es um fantastische Stoffe ging. In den 80ern sind die ‚Drei Fragezeichen‘ völlig an mir vorbeigegangen, die waren mir viel zu harmlos. In den 80ern habe ich Punk Rock gehört und meine ersten Super 8-Filme gemacht. Als ich das Angebot vom WDR bekommen habe, war mir gar nicht bewusst, dass es so etwas wie Hörspiele überhaupt noch gibt, das erschien mir völlig altmodisch. Allerdings finde ich bei der Reizüberflutung, der man heutzutage ausgesetzt ist, ist das eigentlich eine schöne romantische Kunstform, weil man mal wieder die Augen schließen kann und Dinge vor dem inneren Auge entstehen können.

Ich hab auch schon ein paar Sachen im Theater hier in Berlin realisiert, zum Beispiel ‚Video Nasty‘, ein Hörspiel, in dem es um die Video-Revolution der 80er Jahre ging und um die Angst besorgter Eltern, dass die Kinderzimmer von Zombiefilmen überschwemmt werden. Dieses Hörspiel hab ich Anfang des Jahres hier am Hebbel-Theater live auf die Bühne gebracht. Da haben dann Schauspieler live auf der Bühne gestanden und den Leuten vorgesprochen und die Menschen im Publikum haben da wirklich mit Augen zu gesessen, das war absolut super. Das ist nochmal so eine Mischform, dass man diese alte Kunstform des Hörspiels nochmal zu einer Live-Darbietung macht. Das ist auch mitgeschnitten worden und es wird im Januar auch eine kleine Premiere in Gelsenkirchen bei dem ‚geheimnisvollen Filmklub Buio Omega‘ geben, wo dann diese „mitgefilmte“ Aufführung von ‚Video Nasty‘ präsentiert wird.

War das Live-Hörspiel anders als das Radio-Hörspiel?

Inhaltlich war es genauso, aber es sind zum Teil andere Schauspieler gewesen. Der bekannte Hamlet-Darsteller Lars Eidinger von der Schaubühne hier in Berlin, hat die Rolle des Zombie-Doktors gegeben. Natürlich völlig gegen den Strich besetzt. Ich mache ja manchmal für Arte diese ‚Durch die Nacht mit…‘-Folgen. Da habe ich ihn kennengelernt und habe ihn mir gleich gegriffen und mit diesem Zombie-Hörspiel auf die Bühne gestellt. Aber da sieht man wieder, dass sich diese italienische Zombie-Kultur mit deutscher Theaterkunst verbinden lässt.

Ich versuche alles zu hinterfragen und auch zu sehen, was kann denn die Hochkultur für die Trashkultur tun. Wenn man erstklassige Schauspieler hat, die sich für mich in die Gefilde des italienischen Zombiefilms hinabbegeben, dann ist das doch herrlich.

Als Letztes habe ich auf meiner Liste noch Bruce Lee stehen. Ich habe mir Ihr Hörspiel ‚Bruce Lee- Der kleine Drache‘ mit Begeisterung angehört und hab mir dann ‚The Big Boss‘ angesehen. Eigentlich hatte ich etwas ganz anderes erwartet.

The Big Boss ist Lee`s erster Film, wo er im Grunde noch kein Star war. Ein richtiger Billig-Film. Kucken Sie mal ‚Enter the Dragon‘ (dt. Der Mann mit der Todeskralle). Das ist der erste Hollywood-Film, wo er mitspielt. Da denkt man sich wirklich, der Mann wird jetzt bald die Welt erobern und dann kippt er einfach tot um. Oder den zweiten Film, den er gemacht hat, ‚Fists of Fury‘ (dt. Todesgrüße aus Shanghai), der ist zwar auch von dem gleichen Regisseur, der auch ‚The Big Boss‘ gemacht hat, allerdings ist der schon fast politisch- es geht um die japanische Besetzung von China und um Rassissmus – da ist dann schon mehr Starpotential drin. ‚The Big Boss‘ ist der schlechteste seiner Filme, da kriegt man zwar auch mit, dass Bruce Lee eine Leinwandpräsenz hat, die die ganzen anderen unzähligen kämpfenden Chinesen nicht haben, aber als Film ist der einfach nicht gut. Aber ‚Der Mann mit der Todeskralle‘ hat damals wirklich das Action-Kino revolutioniert. Er ist von einem Amerikaner gemacht und ist so ein bisschen wie ein James Bond-Film von damals, nur dass die Leute da kämpferisch tatsächlich was auf dem Kasten haben. Da sind auch jede Menge amerikanischer Kampfkünstler dabei und Bruce Lee hat die gesamte Kampfchoreographie gemacht- total spitze.

‚Der Mann mit der Todeskralle‘ gibt es inzwischen als rekonstruierte Fassung auf DVD und Blu-Ray. Der Film hat noch einen Prolog bekommen, der im Kino damals nicht zu sehen war.

Vielen Dank, Herr Buttgereit,für dieses Interview.

Die Bücher von Jörg Buttgreit sind im Martin Schmitz Verlag erhältlich. martin-schmitz-verlag.de

Weitere Informationen gibt es hier: joergbuttgereit.com

Von |2018-11-30T18:15:31+01:007. Dezember 2010|Interview|